Um Eignung zu beurteilen muss man immer zuallererst die Frage beantwortet haben, wofür jemand eigentlich geeignet sein soll. Das erscheint selbstverständlich.
Für gute Personalentscheidungen braucht man aussagekräftige Anforderungen.
Aber wenn die Entscheider:innen eine Kandidatin oder einen Kandidaten bereits kennengelernt haben und nur ein paar kleine Unsicherheiten bleiben und sie daher schnell noch einen Test einsetzen möchten, oder eine zweite Meinung suchen, um nur ein paar Details zu klären, was dann?
Die Grundlage jeder Eignungsdiagnostik ist die Klärung der Anforderungen.
Aber ich soll doch nur herausfinden, ob eine Kandidatin oder ein Kandidat ein Teamplayer ist.
Warum kann ich dann nicht einfach eine Skala zur Teamorientierung oder Teamfähigkeit aus dem online Shop nehmen und dann weiß man das doch?
Nein. Für gute Personalentscheidungen braucht man aussagekräftige Anforderungen. Auch für die Beantwortung einer solchen begrenzten Fragestellung muss ich verstehen, mit wem die Kandidatin oder der Kandidat konkret zusammenarbeiten soll und was die Auftraggeber:innen eigentlich genau unter Teamarbeit verstehen. Geht es überhaupt um Zusammenarbeit in einem Team auf einer Hierarchieebene oder darum, bei einer Besetzung übergangene interne Mitarbeitende mit besonderer Wertschätzung anzusprechen? Geht es um Spezialist:innen mit vielen Jahren Erfahrung, die besondere Ansprüche an ihre Führungskraft stellen oder geht es um generationenübergreifende Zusammenarbeit in einem diversen Führungsteam? Viele Konstellationen sind denkbar und eine Frage ist nie so einfach, wie sie gestellt wird.
Auch die Situation, in der die Organisation gerade ist, hat Einfluss darauf, wie genau Teamarbeit in der Organisation gelebt wird. Insbesondere, wenn gleichzeitig ebenfalls Durchsetzungsvermögen gefragt ist, kann es sein, dass es sogar paradoxe Anforderungen an die Neuen gibt.
Welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten sind mit der Position genau verbunden
- Welche Ziele sollen die Positionsinhaber*innen erreichen ?
- Was sollen sie gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen und mit ihrem Team tun?
- Und was werden sie selbst tun, nicht delegieren, sondern persönlich machen?
Insbesondere die Tätigkeiten, die zu erledigen sind, müssen so beschrieben werden, dass man wirklich verstehen kann, was gemeint ist. Das heißt, man muss ganze Sätze dazu austauschen, jeweils mit Subjekt, den dazu gehörigen Verben und Objekten und vielleicht dem einen oder anderen Adverb. Und alle diese Begriffe müssen wirklich eine bestimmte Bedeutung haben und wenig Raum für Interpretation und Phantasie. Ein Mensch soll sich teamorientiert verhalten, ist keine Beschreibung von Tätigkeiten oder Verhalten in diesem Sinne.
Für gute Eignungsdiagnostik braucht man aussagekräftige Anforderungen.
Aussagekräftig sind Sätze wie:
„Die Stelleninhaberin soll in den Morgenbesprechungen erst ihre Mitarbeitenden anhören und aktiv nach deren Sichtweisen befragen, bevor sie ihre Sichtweise auf zur Entscheidung stehenden Fragestellungen teilt.“
Ohne konkrete Informationen können auch scheinbar isolierte Fragestellungen nicht sinnvoll beantwortet werden. Nur wenn klar ist, was eine Person leisten muss, lässt sich bewerten, ob sie dafür geeignet ist.
Nie vergessen: Die Komplexität, die Kandidat:innen bewältigen müssen
Und wie komplex sind die Themen, mit denen wir es in der Organisation zu tun haben? In einer Hochtechnologie Umgebung werden andere Herausforderungen liegen als in einer Reorganisationssituation oder in einer Low Tech Umgebung.
Und im Team im CERN den Ursprung des Universums zu erforschen ist eine andere Herausforderung an die Teamfähigkeit, als sich in einem Vertriebsteam von Weißer Ware mit den Kolleg:innen konstruktiv auszutauschen und am Ende des Tages für ihr oder sein Gebiet ganz allein verantwortlich zu sein.
Für gute Personalentscheidungen braucht man aussagekräftige Anforderungen.
Der Irrglaube: „Wir kennen die/den Kandidat:in schon, wir brauchen nur Antworten auf Einzelfragen“
Häufig begegnet man dem Szenario, dass die auftraggebende Person bereits einen konkreten Kandidat:in im Sinn hat und nur spezifische Fragen beantwortet haben möchte, wie etwa:
- Kann die/der Kandidat:in delegieren?
- Ist die/der Bewerber:in ein Teamplayer?
- Ist die/der Kandidat:in eine gute Netzwerker:in?
Auf den ersten Blick mag es verlockend erscheinen, sich auf solche Einzelfragen zu beschränken. Doch ohne den Kontext der Position zu kennen, bleiben die Antworten oberflächlich.
Auch die Beispiele von Chat GPPT sind natürlich generisch. Und müssen hinterfragt werden:
- Auch die Fragen, die die KI zur Delegationsfähigkeit stellt, kratzen nur an der Oberfläche: Soll die/der Kandidat:in ein großes Team leiten oder nur gelegentlich Aufgaben abgeben? Hat sie eigene Sachbearbeitungsaufgaben und leitet nebenbei?
Was auch beantwortet sein muss: Was ist eigentlich zu delegieren? Die Post zu holen oder eine strategische Initiative zu entwickeln.
Gut aufgepasst: Strategische Initiative? Was ist denn damit gemeint?
Für gute Eignungsdiagnostik braucht man immer aussagekräftige Anforderungen.
- Die KI zu Teamfähigkeit: Sind die Stelleninhaber:innen überhaupt aktiv in einem Team eingebunden, oder sind sie eher Einzelkämpfer:innen?
Dazu bitte unbedingt klären: Sind es Einzelkämpfer:innen, die auch Unterstützung von anderen brauchen und sich dementsprechend sozialkompatibel positionieren müssen? Und: was heißt das eigentlich genau? Wofür kämpfen sie? Was für Hilfe brauchen sie? …
KI zu Netzwerkkompetenz: Wie wichtig ist Networking für den Erfolg in der Position? Soll die/der Kandidat:in neue Kontakte aufbauen oder bestehende Beziehungen pflegen?
Dazu sagt die KI selbst: Ohne eine Anforderungsanalyse bleiben solche Fragen vage. Eine sinnvolle Bewertung ist nicht möglich.
Die Risiken ohne Anforderungsanalyse
- Falsche Diagnostik: Wenn die Anforderungen der Position nicht klar definiert sind, besteht die Gefahr, falsche Schlüsse über die Eignung von Kandidat*innen zu ziehen.
- Fehlentscheidungen: Eine Person, die in einer Situation gut passt, kann in einer anderen Position scheitern, wenn ihre Kompetenzen nicht mit den Anforderungen übereinstimmen.
- Verlust von Glaubwürdigkeit: Eignungsdiagnostik lebt von ihrer Professionalität. Werden Entscheidungen auf Basis unklarer oder unvollständiger Informationen getroffen, leidet das Vertrauen in die Methode.
Für gute Personalentscheidungen braucht man aussagekräftige Anforderungen.
Fazit: Ohne genaue Anforderungen keine valide Diagnostik
Daher ist die Anforderungsanalyse kein optionaler Schritt, sondern die Grundlage jeder fundierten Eignungsdiagnostik. Der Aufwand kann natürlich variieren. Es müssen nicht immer aufwändige Teamworkshops und teilnehmende Beobachtung sein. Aber es muss so genau gearbeitet werden, dass das Diagnostikverfahren tatsächlich die relevanten Fähigkeiten und Kompetenzen vollständig erfassen kann.
Auch wenn die auftraggebende Person vermeintlich „nur“ Einzelfragen klären möchte, müssen diese immer im Kontext der Position betrachtet werden.
Denn am Ende geht es nicht darum, ob eine Kandidat:in eine Eigenschaft in isolierter Form besitzt, sondern ob sie diese in genau der Weise und Intensität einsetzt, die für den Erfolg in der spezifischen Rolle notwendig ist. Nur so können fundierte Entscheidungen getroffen und langfristige Erfolge erzielt werden.
Für gute Eignungsbeurteilungen braucht man aussagekräftige Anforderungen.
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