Harald Ackerschott

Die sieben Prinzipien der Eignungsdiagnostik

7 Prinzipien der Eignungsdiagnostik

Eignungsdiagnostik klingt für manche vielleicht nach trockenen Tabellen und Testverfahren, die irgendwo im stillen Kämmerlein ausgeklügelt wurden. Doch in der Praxis ist sie lebendig, vielschichtig und mit den richtigen Prinzipien auch richtig wirksam! Wer fundierte Personalentscheidungen treffen will, braucht eine Eignungsdiagnostik, die klug, agil und praxistauglich ist.

Und die grundlegenden Prinzipen der Eignungsdiagnostik finde ich sehr einfach und eigentlich selbstverständlich. 

Sehen Sie das nicht auch so? Oder was übersehe ich? Ich freue mich auf eine rege Diskussion in den Kommentaren. Hier oder auf LinkedIn.

Hier sind die sieben essenziellen Prinzipien, die den Unterschied machen:

  1. Anforderungsbezug
  2. Die Anforderungen bestimmen die Verfahren
  3. Instrumente und Verfahren müssen valide sein
  4. Die Fehler erster und zweiter Art sind die Leitplanken für den Prozess
  5. Eignungsdiagnostik ist agil
  6. Augenhöhe
  7. Intuition hat Ihre Berechtigung

1. Anforderungsbezug – Ohne Ziel kein Treffer

Bevor man beurteilen kann, ob jemand geeignet ist, muss klar sein: Wofür? Keine Entscheidung über eine Einstellung, eine Beförderung oder eine Entwicklungsmöglichkeit ist sinnvoll, wenn nicht vorher definiert wurde, was eigentlich gebraucht wird.

Das ist wie beim Kochen: Wenn ich einen Sternekoch für ein gehobenes Restaurant suche, bewerte ich ihn nicht nach seinem Wissen über Tiefkühlpizza. Genauso muss im Recruiting und in der Personalentwicklung klar sein, welche Fähigkeiten, Kompetenzen und Potenziale wirklich gebraucht werden.

🔹 Ein IT-Administrator braucht analytisches Denken und Problemlösungskompetenz, aber weniger Verkaufstalent. 

🔹 Eine Führungskraft sollte nicht nur fachliche Expertise mitbringen, sondern auch strategisches Denken und soziale Kompetenzen.

2. Die Verfahren müssen zu den Anforderungen passen

Wenn ich wissen will, ob jemand gut schwimmen kann, frage ich ihn nicht nach seinen Sprintzeiten auf 100 Metern. Und wenn ich Neugier und Lernfreude messen will, nehme ich keinen Konzentrationstest.

Die Wahl der Verfahren bestimmt die Aussagekraft der Ergebnisse. Deshalb ist es so wichtig, die richtigen Werkzeuge für die passende Fragestellung zu nutzen:

🔹 Ein Intelligenztest ist gut, um allgemeines Lernpotenzial zu erfassen – aber sinnlos, wenn es um Empathie geht. 

🔹 Fragen zu Werten in Interviews können helfen, die Passung für die Unternehmenskultur zu prüfen – aber für technisches Know-how braucht es fachliche Fragestelungen. 

🔹 Zur Klärung von fachlichen Kompetenzen reicht nicht der Blick in den Lebenslauf. 

Falsches Werkzeug – falsche Entscheidung. So einfach ist das.

3. Validität – Nur Aussagen zur Zukunft zählen

„Ich fand diese Kandidaten sehr nett“ – Ja, schön. Und?

In der Eignungsdiagnostik geht es nicht um Gefühl oder Sympathie, sondern um Validität – und dabei genau um die Frage, wie gut ein Verfahren zukünftige Leistung und Verhalten vorhersagen kann.

Das bedeutet:
Nicht: „Die Fragen im Interview sind so kreativ – Das macht Spass, mit den Kandidat:innen so individuell zu sprechen…“
Nicht: „Der Test ist unterhaltsam – also ist er gut.“

Nicht: „Die Beurteilungen bei den früheren Arbeitgebern sind gut  – also stimmen die fachlichen Kompetenzen.“


Sondern: „Alle Fragen, Tests und Informationen müssen helfen, die spätere Performance vorauszusagen.“

Gute fachliche Beurteilungen haben kaum einen Zusammenhang mit Erfolg im Vertrieb – aber verkaufspsychologische Kompetenzen schon. Und die Teilnahme an Schulungen und Fortbildungen  bedeuten nicht automatisch bessere Führungsqualität – aber die Fähigkeit, wirksam bereichsübergreifende Zusammenarbeit in Projektteams zu initiieren, kann es.

Extra TIPP: Mit dem Anforderungsbezug steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Validität richtig ist.

4. Die Fehler 1. und 2. Art sind die unsichtbaren Leitplanken

Jede Entscheidung hat zwei mögliche Fehlerkonsequenzen:
1. Fehlbesetzung (jemand wird eingestellt, obwohl sie/er ungeeignet ist).
2. Fehlablehnung (jemand wird abgelehnt, obwohl sie/er geeignet wäre).

Das Problem: Viele Entscheider:innen fokussieren sich nur auf die erste Fehlerart – und filtern dadurch unbewusst vorschnell gute Kandidat:innen aus, die vielleicht nicht in das perfekte Raster passen, aber genau das Potenzial hätten, das gebraucht wird.

🔹 Wer im Recruiting schon in der ersten Phase anhand von Lebensläufen oder Motivationsschreiben nach „perfekten“ Kandidaten sucht, übersieht oft Talente, die sich im weiteren Auswahlprozess als echte High Potentials entpuppen könnten.
🔹 Wer nur extrovertierte Mitarbeitende für Führungsrollen in Betracht zieht, übersieht womöglich starke strategische Führungskräfte mit analytischem Geschick.

Deshalb braucht es eine kluge Verfahrenskombination: Erst effektiv ausschließlich nach gesicherter Nicht-Eignung anhand von objektiven harten Kriterien filtern, dann erst nach den Besten suchen.

5. Eignungsdiagnostik ist agil – Perfektion gibt es nicht

Eines ist sicher: Den perfekten Prozess gibt es nicht, und das ist okay.

Eignungsdiagnostik ist agil: Man testet, optimiert, lernt aus Fehlern und macht es beim nächsten Mal besser.

🔹 Beispiel Recruiting: Nach mehreren Interviews merkt man, dass eine bestimmte Frage kaum aufschlussreiche Antworten bringt – also ändert man sie für die nächste Runde.
🔹 Beispiel Personalentwicklung: Ein Fragebogen zeigt, dass eine bestimmte Kompetenz oft falsch bewertet wird  – also passt man die Kriterien an.

Die DIN 33430 sagt es selbst, dass Eignungsdiagnostik ein fortlaufender Lernprozess ist. Wer das versteht, kann sie richtig nutzen.

6. Augenhöhe – Eignungsdiagnostik ist keine Einbahnstraße

Eignungsdiagnostik ist kein Verhör und auch keine Einbahnstraße, in der nur der:die Diagnostiker:in bewertet und der:die Kandidat:in sich passiv einer Prüfung unterzieht. Ein fairer, transparenter Austausch auf Augenhöhe ist nicht nur ein Gebot des Umgangs, sondern erhöht auch die Qualität der Beurteilung.

Warum? Weil ein respektvoller Dialog bessere, ehrlichere und relevantere Informationen liefert. Wer sich sicher fühlt, gibt authentischere Antworten, spricht offener über Erfahrungen und zeigt seine tatsächlichen Stärken – aber auch Entwicklungspotenziale.

🔹 Wer im Interview Hypothesen über eine:n Kandidat:in hat, sollte sie transparent ansprechen, statt sich im Nachhinein zu fragen, was wohl „zwischen den Zeilen“ gemeint war.
🔹 Wer Verfahren einsetzt, die heimlich testen oder intransparent auswerten, riskiert Verunsicherung – und damit verzerrte Ergebnisse.
🔹 Wer auf Augenhöhe kommuniziert, gewinnt mehr als eine Momentaufnahme: Er:sie erhält ein realistisches Bild davon, wie jemand in der späteren Arbeitswelt agieren wird.

Eignungsdiagnostik auf Augenhöhe bedeutet: nicht ausforschen, sondern verstehen. Nicht nur bewerten, sondern gemeinsam ein möglichst klares Bild gewinnen. Und wer als Unternehmen selbst auf Augenhöhe agiert, wird auch die Kandidat:innen anziehen, die genau diese Haltung zu schätzen wissen.

7. Intuition hat eine Berechtigung – aber nur die richtige

Jetzt kommt der spannende Teil: Hat Intuition in der Eignungsdiagnostik überhaupt Platz?

Die kurze Antwort: Ja.

Intuition ist übereinstimmend nach Gigerenzer, Kahnemann und Klein kein diffuses Gefühl, keine Eingebung von Oben, sondern automatisierte Kompetenz, die sich auf der Basis von vollständigen Erfahrungen mit guten und mit Fehlentscheidungen insbesondere in Anwendungsfeldern, die ein Mindestmaß an Regelmäßigkeiten aufweisen, entwickelt. Wer viele Anforderungsanalysen gemacht, viele Interviews geführt, viele Tests ausgewertet und viele Einstellungsentscheidungen getroffen hat, lernt mit der Zeit, immer mehr über Zusammenhänge, Ursachen und Wirkungen, immer mehr, worauf es ankommt. 

🔹 In der Anforderungsanalyse kann sich das auf die unterschiedlichen Formen des Expertenwissens beziehen, wie man auch unbewusstes Wissen hinterfragen kann oder wie man mit wenig auskunftsfähigen oder -willigen Expert:innen zum Ziel kommt. 

🔹 Im Interview kann sich das auf den Gesprächsfluss und die Intensität des Austauschs beziehen. Wie man auch bescheiden auftretenden Menschen ihre Chance gibt oder wie man Viel- und Schnellsprecher:innen freundlich interviewt.

Aber Vorsicht – die Intuition hat Grenzen:
Intuition kann sich nicht in Bezug auf die Qualität der Gesamtentscheidung entwickeln – denn man weiß ja insbesondere nicht, wie sich die abgelehnten Kandidat:innen entwickelt hätten.

Deshalb gilt: Intuition nutzen – aber nur da, wo sie echte automatisierte Kompetenz auf der Basis von Erfahrungen ist.

Fazit: Für gute Eignungsdiagnostik gibt es ganz einfache Prinzipien

Eignungsdiagnostik ist kein Hexenwerk – aber auch nicht nur Bauchgefühl. Wer sich an diesen sechs Prinzipien orientiert, trifft bessere Personalentscheidungen:

Anforderungen klären – sonst ist jede Auswahl sinnlos.
Passende Verfahren nutzen – sonst misst man das Falsche.
Validität sichern – sonst ist das Ergebnis wertlos.
Fehler im Blick behalten – sonst schließt man die falschen Leute aus.
Agil arbeiten – jeder Prozess geht noch besser.
Austausch auf Augenhöhe – sonst bleiben Missverständnisse unentdeckt.
Intuition richtig nutzen – und immer weiter ganz bewußt lernen.

So wird Eignungsdiagnostik effektiv und immer einfacher – für Unternehmen, Bewerbende und Mitarbeitende.

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