Modernen Personalmanagern geht das Herz auf, wenn sie im Psychologie-Lehrbuch lesen, „…dass wir der Individualität einer Person umso gerechter werden, je mehr Eigenschaften wir betrachten.“
Wer wollte das nicht, jedem einzelnen Bewerber und jeder einzelnen Bewerberin gerecht werden? Ein wunderbarer Satz, und ein fatales Missverständnis. Dem Autor, den ich deshalb auch nicht zitiere, ist nichts anzulasten. Er schreibt für Studierende, die sich die nächsten Jahre noch ins Thema vertiefen werden.
Für den Praktiker im Personalmanagement öffnet dieser Satz die Büchse der Pandora. Nicht, weil die Menschen, die er beurteilen und auswählen muss in der Tiefe ihres Charakters allesamt schlecht wären. Sondern weil der Ansatz, sich auf eine überbordende Vielzahl der Persönlichkeitsmerkmale zu stürzen ihm Unmengen an Informationen beschert, die er nicht sinnvoll verwerten kann.
Die Unmenge an Methoden und Informationen, die heute angeboten werden, führen uns eher von einer guten Entscheidung weg, als zu guten Personalentscheidungen hin. Im Lehrbuch heißt es auf derselben Seite: „Bei nur zehn Eigenschaften mit je zehn Ausprägungsmöglichkeiten gibt es bereits 10 hoch 10, also 10 Milliarden verschiedene Persönlichkeitsprofile, und es gibt ja sehr viel mehr als nur zehn verschiedene Eigenschaften.“
Um Sie noch ein wenig mehr zu erschrecken: Die Psychologie kennt weit über 100 Persönlichkeitsmerkmale. Als Laie ist man schon überfordert, wenn man den genauen Unterschied zwischen Selbstkontrolle, Selbstregulation und Selbstwertschätzung erklären sollte.
Weniger ist Mehr
Vor diesem eigentlich positiven Hintergrund – Menschen genau kennenlernen zu wollen – haben mittlerweile sogenannte Persönlichkeitstests und immer mehr behauptete KI-Methoden Hochkonjunktur, die Stimmen, Gesichter oder Text analysieren auf der Such nach immer mehr Merkmalen der Persönlichkeit. Das Problem: Viele dieser Persönlichkeits-Tests oder Persönlichkeits-KIs sind gar keine.
Hinzu kommt: Im beruflichen Kontext sind die allermeisten dieser sogenannten Persönlichkeitsmerkmale kein bisschen relevant oder aussagekräftig.
“Viel hilft viel? Nicht in der Eignungsdiagnostik. Viele KI Lösungen locken uns auf falsche Spuren!“ schreibt Harald Ackerschott in “Lost in Personality“ Share on XDenn wenn ein Test die Intelligenz nicht berücksichtigt, hat er im Auswahlprozess nichts zu suchen. Denn Intelligenz ist das für Auswahl von Kandidatinnen und Kandidaten zentrale Persönlichkeitsmerkmal. Und, auch wichtig: die Intelligenz beeinflusst direkt auch die anderen Persönlichkeitsmerkmale. Man könnte sagen, dass Intelligenz diese mit einem Faktor „auflädt“, der über den Wirkungsgrad dieser Merkmale entscheidet.
Intelligenz ist Teil der Persönlichkeit
Intelligenz ist die Grundkonstante der beruflichen Leistungsfähigkeit. In ihr drücken sich beispielsweise die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung und die Kapazität der Lernfähigkeit aus. Deshalb kann Ihnen Intelligenz auch helfen, andere Persönlichkeitseigenschaften zu „trimmen“ oder zu kompensieren. Sollten Sie, was ich nicht hoffe, keinerlei Empathie besitzen, so können Sie beispielsweise mit Hilfe der Intelligenz immer noch soziale Wirkungen Ihres Handelns beobachten, kognitiv verarbeiten und sich Regeln zurechtlegen, z.B.: „Keine Horrorgeschichten, wenn Kinder am Tisch sitzen.“
“Keine Horrorgeschichten, wenn Kinder am Tisch sitzen!“ was das mit Personalauswahl zu tun hat, beschreibt Harald Ackerschott in “Lost in Personality“ Share on XEine fundierte Einschätzung von Menschen im Berufsleben und ihrem Leistungspotenzial muss also immer auf der Intelligenz aufbauen. Sie muss sich auch mit Werten, Zielen, Motiven und Temperament befassen. Berufsbezogene Persönlichkeitsfragebögen kann man vielleicht als Ergänzung einsetzen, aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass sie immer nur Teilaspekte abbilden. Und die vielgerühmten Big Five sollte man sich im Afrika ansehen. Von den fünf oft als zentral behaupteten Persönlichkeitsfaktoren hat gerade mal die Gewissenhaftigkeit eine gewisse wenn auch geringe Relevanz im beruflichen Kontext nachgewiesen.
Und wichtig ist bei Persönlichkeitsfragebögen, daran zu denken, dass Persönlichkeitsfragebögen eben genau dieses sind: Sie sind eine Sammlung von Fragen und das Ergebnis dieser Fragensammlungen sind Selbstauskünfte. Wer nur nach Persönlichkeitsmerkmalen fragt, ohne Intelligenz zu messen, der kratzt nicht nur an der Oberfläche, sondern sucht insgesamt an der falschen Stelle.
Un das gilt auch für alle anderen Dimensionen. Selbst augenscheinlich sinnvolle Merkmale in berufsbezogenen Persönlichkeitsfragebogen, wie z. B. „Teamfähigkeit“ bleiben ohne ein Maß, das Auskunft gibt über die Fähigkeit mit Informationen umzugehen, völlig inhaltsleer. Teamfähig kann nämlich völlig unterschiedliche Bedeutung haben, je nachdem mit welcher Intelligenz sie kombiniert ist. Stellen sie sich zwei Teammitglieder vor:
Eine Person bringt nie auch nur ansatzweise eine sachliche Aufgabenstellung der Lösung näher, ist aber zu allen freundlich, nickt zustimmend zu Sätzen, die einflussreiche Teammitglieder mit hohem Status sagen oder versucht sogar sie zu widerholen. Sie besorgt immer gern Kaffe, Obst oder andere Goodies und ist die gute Seele einer Gruppe.
Eine andere Person bearbeitet Lösungen, bringt Inhalte und Themen voran, teilt gern ihre Ergebnisse und engagiert sich sachlich enorm im Sinne gemeinsamer Ziele der Gruppe. Sie wird nicht müde, für die gemeinsame Sache Lösungen zu erarbeiten und engagiert sich für die bessere Lösung. Dabei geht sie auch so weit, dass sie Führungskräften widerspricht, wenn sie überzeugt ist, dass diese falsch liegen.
Für beide Personen gibt es Aufgaben, aber beide sind grundverschieden, auch wenn sie vielleicht in einer Dimension sehr ähnliche Ergebnisse zeigen.
Von Paul Watzlawick gibt es das wunderbare Beispiel mit dem nächtlichen Zechbruder, der sein Auto im Dunkeln abgestellt hat und an der Autotür den Schlüssel fallen lässt. Weil er dort aber nichts sehen kann und er auch nicht unter das Auto kriechen möchte, sucht er seinen Schlüssel fünf Meter weiter, wo die Laterne steht und er etwas sehen kann.
„Lassen Sie sich vor allem nicht besoffen machen vom Persönlichkeits-Fusel!“ schreibt Harald Ackerschott in “Lost in Personality“ Share on XMein Rat: Lassen Sie sich vor allem nicht besoffen machen von Persönlichkeits-Fusel. Er wird ihnen nämlich auch noch am nächsten Tag Kopfschmerzen bereiten. Suchen Sie dort, wo sie etwas finden können. Und vielleicht bringt ein wenig professionelle Hilfe auch Licht ins Dunkel.
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Quellen:
Select on Intelligence, Frank L. Schmidt
Anmerkung der Publisher dieser Seite:
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[…] In der Praxis werden sehr häufig Persönlichkeitsverfahren eingesetzt, häufig auf Basis der BIG Five. Was sagt die aktuelle Analyse? Tatsächlich bestätigt sich hier wieder, dass Extraversion, Agreeableness, emotionale Stabilität und auch Offenheit kaum zusätzliche Vorhersagekraft gegenüber einem Test der mentalen Fähigkeiten aufweisen. Ihr Nutzen für die Auswahl ist nach wie vor viel geringer als ihre Bearbeitung annehmen lässt. Einzig die Gewissenhaftigkeit kann – wie auch zuvor in anderen Studien gezeigt – punkten. Statt eines allgemeinen Persönlichkeitstests wäre daher zu überlegen, vielleicht einfach dieses Konstrukt genauer zu betrachten (The big ONE?). Zur Verwirrung in der Personalauswahl um den Begriff der Persönlichkeit finden Sie einen vertiefenden Beitrag auf Eignungsdiagnostik.info unter dem Titel „Lost in Personality„. […]
[…] Aber die Persönlichkeit ist viel viel mehr: viele Modelle und Faktoren und noch mehr Dimensionen sind dazu in Lehrbüchern beschrieben: Werte, Motive, Haltungen und Interessen gehören dazu. Oder auch solche Dimensionen wie Feldabhängigkeit, Selbstakzeptanz oder Volition und anderes „Persönliche“. Es ist eben alles „Persönlichkeit“, was eine Person zu einem einzigartigen Individuum m… […]