bauen Sie nicht auf Sand

Personalauswahl ohne Anforderungsanalyse? Bauen Sie nicht auf Sand!

Ohne Anforderungen gibt es keine Eignung. Ein völlig überflüssiger Satz – eigentlich – wenn es nicht die Realität gäbe:

„Sie wissen ja, beim letzten Mal das war schon ganz gut, aber noch ein bisschen abschlusssicherer sollte der nächste Account Manager schon sein. Die letzten Beiden waren ja eher Farmer als Hunter. Ich weiß, wir hatten das so besprochen, aber eigentlich brauchen wir gerade jetzt mehr Neugeschäft.“ 

Achtung! Wenn Sie „Sie wissen ja“ hören oder „Wie beim letzten Mal“. Dann sollten Sie wachsam sein.

Auch Sätze wie „Wir brauchen einen neuen Paul“ funktionieren nicht. Nicht einmal wenn die Personalanforderung beim Ausscheiden von Paul so lautet. Da fällt dann auch mal die Irene als Kandidatin gleich durch. 

“Sätze wie ‚Wir brauchen einen neuen Paul‘, funktionieren nicht. Da fällt dann auch Irene als Kandidatin gleich durch.“ Harald Ackerschott zu Anforderungen und Personalentscheidungen auf eignungsdiagnostik.info Klick um zu Tweeten

Aber im Ernst: Ohne Anforderungen gibt es keine Eignung, denn Eignung bezieht sich immer auf eine Anforderung. Es geht um „geeignet für …“!

Damit diese Ausgangsbasis, die Anforderungen, auch wirklich tragfähig sind, und Sie nicht auf Sand bauen, schauen wir noch einmal genauer hin, was Anforderungen eigentlich sind.

Nach DIN 33430 sind Anforderungen:

„Sensorische, motorische, kommunikative oder interaktive, emotionale oder kognitive Aufgabenstellungen, auszuübende Tätigkeiten, zu erreichende Zielsetzungen und Rahmenbedingungen, die bei der Ausübung einer Tätigkeit, beim Ausfüllen einer Position, dem Absolvieren einer Ausbildung oder dem Ausüben eines Berufes zu beachten sind. Die Anforderungen können implizit oder explizit an den Menschen gestellt werden.“

Für die Vorbereitung einer Eignungsfeststellung dürfen diese Anforderungen aber nicht implizit bleiben, sie müssen in einer Anforderungsanalyse explizit gemacht , expliziert „erklärt“ werden. 

Das heißt konkret, dass eine Anforderung an einen Vertriebsmitarbeiter NICHT lauten kann: „Sie oder er muss „teamfähig“ (oder ein anderes beliebiges Adjektiv wie „abschlusssicher“, „kommunikationsstark“, „emotional stabil“ … oder ein Subjektiv wie „Hunter“, „Farmer“, „Rockstar“ … ) sein.“ Das sind zwar schöne Eigenschaften und prägnante Begriffe, aber leider keine klar beschriebenen Anforderungen.

Ohne klare Anforderungen gibt es keine Eignung!

Anforderungen sind Aufgabenstellungen wie:

  • jeden Morgen früh los, und dann 200-400 Kilometer täglich auf der Piste und in den Etappen (das ist eine Tätigkeit)
  • mindestens zwei Besuche bei fremden Menschen, die man nur einmal kurz oder auch gar nicht vorher am Telefon hatte (Tätigkeit)
  • Einmal in der Woche zwei Stunden die Dokumentation der ganzen Woche auf Stand bringen, Reporten oder jeden Abend online Reporting für das taggenaue Dashboard des Vertriebscontrolling (Tätigkeit mit Rahmenbedingungen)
  • Jeden Morgen auf der Fahrt einen Anruf von einem Chef annehmen und freundlich den Tag besprechen, weil der Chef sicher gehen möchte, dass man auch früh unterwegs ist (Tätigkeit)
  • komplexe technische Lösungen beim Kunden spontan aus den Anforderungen und Wünschen des Kunden ableiten und frei skizzieren können (Aufgabenstellung)
  • Unter hohem Druck arbeiten, da es dem Unternehmen aktuell nicht wirklich gut geht und der Vertriebsleiter schon nervös wird (Rahmenbedingung)
  • Pro Woche / Monat / Quartal bestimmte Stückzahlen, Volumina, Umsätze realisieren (Zielsetzungen)

Um solche Anforderungen zu finden und dann auch noch zu entscheiden, welche relevant sind, muss man sich den Zusammenhang, für den man auswählt oder eine Eignungsentscheidung treffen möchte, genau ansehen. Dabei benutzen wir viele unterschiedliche Begriffe. Eignungsdiagnostik nach DIN33430 bedeutet, dass wir nachvollziehbar arbeiten. Dazu gehört, auch in den Gesprächen mit Hiring-Managern, Begriffe verständlich und nachvollziehbar zu benutzen.

Bewährte Praxis: Die Anforderungsanalyse

Eine genaue Analyse der Anforderungen einer Position ist die grundlegende Voraussetzung dafür, dass eignungsdiagnostische Verfahren gezielt eingesetzt werden können.

Ziel der Anforderungsanalyse ist die Festlegung der Eignungsmerkmale samt der erforderlichen Ausprägungsgrade. Denn ohne Anforderungen gibt es keine Eignung. Dies schließt die ausdrückliche Identifizierung der Must-Haves und Nice-to-Haves ein.

 Anforderungsanalyse damit die Eignung wirklich passt

Das Anforderungsprofil ist das Ergebnis der Anforderungsanalyse. Zur Erarbeitung von Anforderungen in einer Anforderungsanalyse ist der erste Schritt zunächst die Tätigkeit, den Beruf, die Ausbildung, also die Aufgabenstellung zu betrachten und möglichst prägnant und sinnvoll zu beschreiben. Sinnvoll beschreiben heißt, dass die relevanten Anforderungen dargestellt werden müssen, die die Position, die Entwicklungsperspektive oder die Ausbildung wirklich ausmachen und von anderen Aufgaben unterscheiden. Denn bei der Eignungsdiagnostik geht es immer um Unterscheidung.

“Aufgaben unterscheiden sich und Menschen unterscheiden sich. Und ganz wichtig: Menschen machen den Unterschied!“ Harald Ackerschott zu Anforderungen und Personalentscheidungen auf eignungsdiagnostik.info Klick um zu Tweeten

Ein Gerüst für Themen, die geklärt werden und nach denen Sie fragen sollten:

  • Was soll jemand konkret tun?
  • Was muss jemand dafür können? Und was kann er noch lernen?
  • Welche Schnittstellen gibt es? Welche Verantwortlichkeiten?
  • Wieviel Unterstützung erhält jemand?
  • Was könnte sich in Zukunft ändern?

Aufgaben unterscheiden sich mindestens in folgenden Dimensionen:

  • Art und Vielfalt von Information und Fakten, die man für die Aufgabenerfüllung braucht
  • Detaillierungsgrad und Komplexität der Zusammenhänge,
  • Umfang von Lerninhalten und Lernbedingungen
  • Zeitrahmen, Ganzheitlichkeit, Fragmentierung der Tätigkeiten
  • Struktur, Monotonie oder Diversität und Abwechslung der Aufgaben und Tätigkeiten
  • Häufigkeit und Intensität sozialer Interaktion
  • Hindernisse oder Widerstände, die zu überwinden sind

Diese Dimensionen sollten Sie abfragen, bei Personen, die die Aufgaben möglichst genau kennen. 

Wichtig für die Eignung: Personenmerkmale

Aus den Aufgabenbeschreibungen werden dann die Personenmerkmale mit den für die Erfüllung der Aufgabenstellungen notwendigen Ausprägungsgraden abgeleitet. Denn wenn gilt: ohne Anforderungen gibt es keine Eignung, dann muss das. genau zusammen passen. und das ist nicht trivial!

„Werden abgeleitet“ heißt, dass die verantwortliche Eignungsdiagnostikerin oder der verantwortliche Eignungsdiagnostiker das machen. Auf der Basis des Inputs, den sie von Hiring-Managern, Stelleninhabern haben oder durch (teilnehmende) Beobachtung gewonnen haben unter Nutzung ihrer Methodenkenntnisse, ihrer Erfahrung und ihrer Kenntnisse von menschlichen Unterschieden. 

Das ist keine Zauberei. Hier hilft Erfahrung und der offene Umgang mit Verbesserungspotenzial im Verständnis und im Erarbeitungsprozess. Feedback zu Anforderungsprofilen, solchen, die funktionieren und solchen, die weniger gut passen, sollten zwischen den Hiring-Managern und den Experten für Eignungsdiagnostik und HR offen ausgetauscht werden, damit man in einem iterativen Prozess zu immer besseren gemeinsamen Ergebnissen kommt. Das ist gelebte Agilität im Wortsinn in HR.

Eigenschaft oder doch Talent?

Die abgeleiteten Personenmerkmale werden in unterschiedlichen Begriffen beschrieben. Einige wollen wir genauer ansehen, denn es gibt auch hier wichtige Unterscheidungen:

  • Eigenschaften sind besondere Kennzeichen und Merkmale einer Person oder Sache
  • Eine Fähigkeit ist eine natürliche Begabung, ein natürliches Können, eine Tüchtigkeit, ein Talent
  • Fertigkeiten sind erlerntes oder erworbenes Können, eingeübte Geschicklichkeit im Ausüben von Tätigkeiten, 
  • Kenntnisse sind duch aktives, passives Lernen oder durch Erfahrungen erworbene Wissensinhalte

Besonders wichtig ist die Unterscheidung zwischen Fähigkeit und Fertigkeit: Eine Fähigkeit ist eine natürliche Begabung, eine Fertigkeit ist erlerntes oder erworbenes Können.

Ein weiterer wichtiger Oberbegriff ist die Kompetenz: Kompetenzen sind nach DIN33430 gelernte, wiederholbare Verhaltensweisen und abrufbare Wissensbestände zu erfolgreichen Bewältigung beruflicher Aufgaben. 

Und immer wenn keine konkrete Kompetenz (Fertigkeit) zur Verfügung steht, um eine Anforderung zu erfüllen, kann man überlegen, ob Potenzial (Fähigkeit) hier hilft. Auch wenn die Aufgabe nicht vollständig beschreibbar ist, kann Potenzial wichtiger sein als konkretes Wissen oder eine bestimmte Fertigkeit.

Fachkräfte 

Auch bei Fachkräften wird es immer wichtiger über kurzlebige Kompetenzen hinaus Potenziale für zukünftige Entwicklungen zu erkennen. Potenzial ist nach DIN 33430 die Fähigkeit einer Person, ihr bislang nicht vertraute Aufgaben zu bewältigen und Kompetenzen zu entwickeln. Denn wenn die Anforderungen ungenau sind, dann müssen die Personenmerkmale das um so breiter abdecken.

Für alle Personenmerkmale müssen die Eignungsdiagnostikerinnen und Eignungsdiagnostiker sich Gedanken machen, wie viel von einem Personenmerkmal für eine Anforderungen richtig und passend ist. 

Denken Sie daran:

Niemand braucht Arnold Schwarzenegger zum Sortieren von Eiern, auch wenn Eier Sortieren eine Hebe-Aufgabe enthält. https://eignungsdiagnostik.info/intelligenz-denken-macht-den-unterschied

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